Bindung – Tanz zwischen Kultur und Intuition
Dass sich die kulturell gewachsenen Bindungsstrukturen zunehmend auflösen, zeigt folgende Entwicklung: Die Gesellschaft für Qualität in der außerklinischen Geburtshilfe weist darauf hin, dass 98 Prozent der in Deutschland geborene Kinder im Krankenhaus zur Welt kommen. Die Betreuungsquote bei den Kindern unter drei Jahren ist im Jahr 2018 auf 33,6 Prozent gestiegen, berichtet die Deutsche Liga für das Kind in Familie und Gesellschaft. Ein Drittel der Mütter mit Kinder unter 3 Jahren sind berufstätig, schreibt das Wirtschaft- und Sozialwissenschaftliches Institut.
Vor dem Hintergrund dieses gesellschaftlichen Wandels betrachtet Gordon Neufeld die Ergebnisse der Bindungsforschung. Mit dem Ziel ein umfassendes Modell für Bindung zu entwicklen, das von allen, die mit Kindern zu tun haben, benutzt werden kann. Dabei geht es nicht um Strategien, Fähigkeiten oder Ausbildungen, sondern um eine Einladung, sich einzulassen an diejenigen, die für das Kind verantwortlich sind. Prof. Gordon Neufeld erklärt zunächst was Bindung bedeutet:
Bindung hat mit Kontext zu tun. Kontext bedeutet wörtlich, das, was „zusammen gewebt“ ist. Kontext war innerhalb einer Kultur eigentlich immer unsichtbar, niemand redete darüber. Ich habe Kulturen mit guten Bindungsstrukturen aufgesucht, und dort ist man sich überhaupt nicht darüber bewusst, was da wirkt und warum es wirkt.
Die Weisheit ist einfach in der Kultur eingebettet.
Ich bin überzeugt davon, dass der Grund für die Schwierigkeiten, über Bindung zu sprechen, darin liegt, dass wir davon nichts wissen sollen. Kontext war darauf angelegt, ein Tanz zwischen Kultur und Intuition zu sein. Leider haben wir in der postindustriellen Welt unsere Kultur eingebüßt, wir entwickeln kaum mehr Intuition. Es bleibt uns also nichts anderes übrig, als ein Bewusstsein dafür zu entwickeln, und…
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Wenn wir versäumen die Kind-Eltern-Bindungen zu schützen, Prof. Gordon Neufeld, Frankfurt